Analyse zum Septemberwechsel im kicker Manager Interactive 23/24
Zum zweiten Mal gibt es im kicker Manager Interactive die Möglichkeit, nach Abschluss des Transferfensters im Sommer einen beliebigen Spieler auszutauschen. Da die Regeln des Wechsels häufig missverstanden werden, muss zunächst betont werden: der Septemberwechsel hat keinen Einfluss auf die vier Wechselgelegenheiten im Winter. Durch einen Rücktausch des Septemberpaares kann der Kader in seinen Ursprungszustand überführt werden. Danach sind wie gehabt vier freie Wechsel möglich.
Anmerkungen zur geringen Datengrundlage
Im Gegensatz zum letzten Jahr (nach 5. Spieltag) muss der Septemberwechsel diese Saison schon nach drei Spieltagen vollzogen werden. Das erschwert die Entscheidungsfindung deutlich. Die Punktzahlen der Spieler sind noch stärker beeinflusst vom Spielplan, Ausreißerspielen und Glück/Pech als letztes Jahr.
Auch Statistiken wie Expected Goals (xG) verlieren sehr an Aussagekraft. Der Vergleich von xG-Werten und erzielten Toren soll im Allgemeinen zwei Fragen bzgl. der Fähigkeit, in Zukunft Tore zu schießen, beantworten:
Was ist die echte Leistungsfähigkeit des Spielers/Teams? Der xG-Wert beantwortet dies besser als die erzielten Tore.
Wie hoch ist die bisherige Abweichung von der echten Leistungsfähigkeit? Oder: Wie sehr hat der Spieler über/unter seinen Möglichkeiten getroffen? Dafür wird die Differenz des xG-Werts und der erzielten Toren berechnet.
Stark betroffen von der kleinen Datengrundlage ist vor allem die erste Frage. Angenommen ein Spieler mit einem echten Niveau von 0,3 xG pro Spiel hat aufgrund schwacher Gegner in den ersten drei Spielen 0,7 xG pro Spiel erreicht. Im Laufe der Saison wird sich der zweite Wert durch stärkere Gegner dem echten Wert annähern, zum aktuellen Zeitpunkt ist er aber verfälscht.
Ebenfalls betroffen ist die zweite Frage. Angenommen ein Spieler macht aus fünf Schüssen zwei Tore, wobei das Modell die Qualität der Schüsse stark unterschätzt. Der xG-Wert des Spielers ist dann zu niedrig und er hat weniger überperformt als gedacht. Im Laufe der Saison kommen mehr Schüsse hinzu, die das Modell wahrscheinlich besser einschätzt.
Da eine starke Über-/Unterperformance der xG-Werte aber unabhängig von Faktoren wie Gegnerstärke oder Ausreißerspielen nicht aufrechtzuerhalten ist, lässt diese eher Rückschlüsse für den Rest der Saison zu. Inwiefern der reine xG-Wert die tatsächliche Torgefahr eines Spielers/Teams abbildet, muss dagegen kritisch beäugt werden. Im Zweifel eignet sich der Wert der Vorsaison(s) besser.
Wie üblich sind alle Werte heruntergebrochen auf 90 Minuten Spielzeit und Elfmeter wurden entfernt. Die Daten stammen von fbref.com.
Teams
Gladbach an letzter Stelle ist ein gutes Beispiel für die Unzuverlässigkeit der Daten zu diesem Zeitpunkt. Da zwei der drei Gegner der Borussia die beiden besten Teams der Liga waren, kann davon ausgegangen werden, dass die Mannschaft in Zukunft besser spielen, und damit eine bessere xG-Differenz erreichen, wird.
Von den Topteams hat Leverkusen stark überperformt, ebenso wie RB Leipzig. Ein großer Teil der Überperformance kommt von Kantersiegen, bei denen beide Mannschaften zu mehr oder weniger herrschender Überlegenheit Tore draufgepackt haben, zudem überperformen die besten Mannschaften regelmäßig. Da sie als gegenseitige Gegner zudem ein deutlich schwereres Auftaktprogramm als die Bayern hatten, kann durchaus angenommen werden, dass sie aktuell auf Augenhöhe mit den Münchnern sind. Selbst die eintretende Mehrfachbelastung ist für den dünnen Kader der Bayern kein Vorteil mehr.
Auch der VfB Stuttgart hat dank zwei Kantersiegen stark überperformt. Die xG-Differenz deutet aber zumindest an, dass sie tatsächlich eine durchaus starke Mannschaft haben. Eines ihrer Opfer ist der SC Freiburg, der dadurch stark unterperformt hat. Gute xG-Werte gegen Hoffenheim und Bremen sind zudem Zeichen, dass der SC sich keine großen Sorgen machen muss.
Der schwache Saisonstart von Dortmund lag nicht an einer extremen Unterperformance. Da die Schwächen im Spielaufbau besonders gegen schlechte Teams wie die bisherigen Gegner zum Vorschein kommen, ist dennoch mit einer Verbesserung zu rechnen.
Beim Rest der Teams gibt es keine großen Auffälligkeiten, die nicht zu den Werten des Vorjahres passen.
Um die Werte anhand der bisherigen Gegner besser einzuordnen, können die Werte von clubelo als Approximation für die Stärke eines Teams genommen werden. Das Elo-System weist jedem Team einen Wert zu, der nach jedem Spiel abhängig von Ausgang und Wert des Gegners aktualisiert wird. Eine ausführliche Erklärung findet sich z.B. hier.
Die obige Tabelle zeigt den aktuellen Elo-Wert aller Mannschaften, den Durchschnittswert der bisherigen Gegner und die einzelnen Gegnerwerte an jedem Spieltag. Laut diesem Ranking hatten Dortmund, Frankfurt, Bayern und Wolfsburg das leichteste Auftaktprogramm. Die schwersten Gegner hatten Bremen, Gladbach, Köln und Darmstadt.
Spieler
Da Teamwerte ein Aggregat der Spielerwerte sind, ist das Problem der kleinen Datengrundlage für Spieler noch größer. Das macht die Zahlen nicht zwingend nutzlos, sie bieten aber keine hohe Verlässlichkeit. Um zumindest einen Mindestmaß an Stabilität zu gewährleisten, werden nur Spieler, die mindestens zwei Startelfeinsätze berücksichtigt. Bei den Torgefahrgraphiken werden in Mittelfeld und Abwehr nur Spieler berücksichtigt, die mindestens 0,25 Tore oder 0,10 xG erreicht haben.
Für jeden Mannschaftsteil wird zuerst die Torgefährlicheit der Spieler anhand der xG- und Torwerte verglichen. Diese Werte werden anschließend mit den xAG-/Assists-Werten und Notenschnitt der Spieler ergänzt und tabellarisch ausgegeben.
Sturm
Bei Stürmern ist die Torgefahr das wichtigste Kriterium und sollte daher die Hauptrolle für die Beurteilung spielen.
Mit einem Wert von 0,94 xG teilen sich Victor Boniface und Serhou Guirassy den ersten Platz. Der Stuttgarter hat ein Tor mehr erzielt und somit mehr überperformt. Boniface profitiert von überaus spielstarken Mitspielern und konnte in den ersten drei Spielen 21 Schüsse abgeben, ein wahnsinniger Wert. Bei beiden ist zu bezweifeln, ob sie ihren xG-Wert beibehalten werden. Guirassy hatte letzte Saison 0,5 xG, Boniface in der belgischen Liga 0,3 xG.
Einen großen Sprung hat auch Jonas Wind gemacht. Sein bisheriger Bundesligaschnitt liebt bei etwa 0,3 xG. Begünstigt durch das leichte Auftaktprogramm von Wolfsburg hat Wind aktuell 0,85 xG, ein Wert den er vermutlich nicht halten wird. Nach dem Ausfall von Lukas Nmecha ist Wind der Goalgetter der Wolfsburger und wird von kreativen Neuzugängen wie Majer und Černý unterstützt, es ist also andererseits möglich, dass er sich diese Saison tatsächlich zulegt.
Besitzer von Michael Gregoritsch sollten sich nicht zu viele Sorgen machen. Der Freiburger hat gute Chancen gehabt und ist bloß an der Verwertung gescheitert. Umgekehrt ist es bei Kevin Behrens gelaufen, der seine xG-Wert um mehr als das doppelte überperformt hat. Die Qualität der Chancen selbst war aber gut.
Glücklos waren Stürmer von Abstiegskandidaten: Philipp Hofmann, Tim Kleindienst und Luca Pfeiffer haben kein Tor erzielt, aber gute xG-Werte.
Auffällig ist die Überperformance von Donyell Malen. Wenn Dortmund sich steigert, ist nicht unbedingt zu erwarten, dass auch er mehr Tore schießt. Sein aktueller xG-Wert von 0,36 liegt genau in der Mitte der beiden Vorsaisons (0,48 bzw. 0,24).
Für Tomáš Čvančara ist ein Wert von 0,31 xG angesichts der Gegner in Ordnung. Die Konkurrenz durch Neuzugang Jordan sollte nicht zu hoch gehängt werden, der erreichte bei Union letztes Jahr nur 0,2 xG. Zudem verdrängt er den Tschechen nicht zwingend, Čvančara hat in der Vorsaison die meisten Partien als halbrechter Zehner gemacht, eine Position die es bei einer Dreierkette auch in Gladbach gibt.
Kaum einzuschätzen ist die Lage von David Fofana. Drei frühe Auswechslungen, besonders am zweiten Spieltag, führen zu einer geringen Minutenzahl und folglich einem kaum aussagekräftigen xG-Wert.
Wenig überzeugt haben die Stürmer von Hoffenheim, Bremen und Mainz. Die drei billigsten Stammspieler Vilhelmsson, Waldschmidt und Dinkci haben allesamt stark überperformt. Als einziger hat Vilhelmsson auch solide xG-Werte, die allerdings begünstigt sind durch wenig Spielzeit und einem soliden Spiel, das dennoch 5:1 verloren ging.
Die erweiterte Tabelle bestätigt ebenfalls die Vermutung, dass Vilhelmsson vermutlich kein guter Ersatz für Waldschmidt oder Dinkci ist, da er den schlechtesten Notenschnitt hat. Die Noten vom Heidenheimer sind dagegen auffallend gut, er profitiert von Spielmacherqualitäten (0,19 xAG), die er noch nicht in Assists umsetzen konnte. Im Billigsegment scheint der Tausch Waldschmidt zu Dinkci sinnvoll zu sein.
Bei den Spielern unter 2,0 Mio ist noch Marmoush interessant. Gute xG- und xAG-Werte bei einem soliden Notenschnitt und einem möglichen Stammplatz hegen die Hoffnung, dass er nach Kolo Muanis Abgang zu dessen Nachfoger in kleinerem Format wird. Eine spannende Option als Ersatz für Fofana.
Bei Kramarić wird deutlich, wie sehr auch er von seiner Kreativität profitiert. Trotz geringen 0,12 xG sorgen gute 0,34 xAG zu einem sehr guten Notenschnitt von 2,67. Und das ohne eine Überperformance.
Die Werte von Haller zeigen seinen schwachen Saisonstart: 0,21 xG und 0,23 xAG sind für den Preis nicht annähernd genug. Dazu die neue Konkurrenz durch Füllkrug legt einen Verkauf nahe.
Mittelfeld
Mittelfeldspieler können sowohl durch Torgefahr als auch durch Spielstärke glänzen. xG-Werte sind hier nur ein Puzzlestück von vielen.
Den höchsten xG-Wert im Mittelfeld hat Leroy Sané mit 0,77. Er könnte auch in Zukunft von Kanes Spielstärke profitieren, der ihm für seine Tiefenläufe den Raum freimacht und den letzten Pass spielt. Die Kollegen Gnabry und Coman tauchen wegen zu wenig Spielzeit bzw. nicht genug Torgefahr nicht auf.
Die folgenden Plätze sind überraschend besetzt. Während Roland Sallai durchgängig gute Chancen hatte und damit ein Verkauf gut überlegt sein sollte, profitieren Adrian Beck und Takuma Asano von jeweils einem einzelnen Topspiel gegen Dortmund bzw. Augsburg.
Silas und Dina Ebimbe haben den gleichen xG-Wert von 0,42, ihre Chancen aber unterschiedlich verwertet. Frankfurt hatte dabei leichtere Gegner und die unklare Position von Dina Ebimbe machen ihn zum größeren Fragezeichen von den beiden.
So eines ist auch Marcel Sabitzer. Der xG-Wert von 0,27 macht bei ihm Hoffnung auf Besserung, wobei wichtiger sein wird, wie sehr er zu einer Verbesserung des Dortmunder Spielaufbaus beiträgt.
Von Palacios, Vargas, Beste, Kampl und Rexhbecaj sollten nicht zu viele weitere Tore erwartet werden, alle haben deutlich überperformt.
Generell haben die Spieler von Leverkusen, Leipzig und Stuttgart dank ihrer Kantersiege fast alle überperformt. Da die drei Mannschaften in starker Verfassung sind, sollte das den Spielern nicht zu negativ ausgelegt werden. Die Wolfsburger dagegen haben alle unterperformt, vier ihrer fünf Tore gingen auf das Konto von Wind.
Im Gegensatz zum Sturm hat der Großteil der teuren Mittelfeldspieler nicht enttäuscht. Viele davon kommen mehr über Spielstärke, insbesondere in Form von Assists, als Torgefahr.
Gar keine Scorerpunkte braucht Xhaka, der einen sensationellen Notenschnitt aufweist. Auch Xavi hat einen fantastischen Notenschnitt, hat aber seine xG- und xAG-Werte extrem überperformt. Wer nicht auf Scorer vertrauen will, sollte eher beim Leverkusener zugreifen.
Im Bereich unter 3,0 Mio fallen durch gute Noten außerhalb bereits genannter Spieler Laidouni, Führich, Svanberg, Martel und Bero auf. Der überraschend gute Notenschnitt von Schmid und Groß kommt daher, dass beide keinen benoteten Einsatz gegen Bayern hatten.
Abwehr
Abwehrspieler sollten generell nicht nach Torgefahr beurteilt werden, da sie meist keine hohen xG-Werte erreichen. Ausnahmen bilden Spieler wie Frimpong, deren Rolle mehr einem Offensivspieler gleicht.
Den imposanten Balken hat Mats Hummels zwei Riesenchancen im Spiel gegen Köln und wenig Spielzeit insgesamt zu verdanken. Bei Pavel Kadeřábek ist es das Tor gegen Heidenheim, das mit 0,98 xG so nahe an die sprichwörtliche “100%-ige” wie sonst keine Chance, und bei John Brooks das Tor gegen Hoffenheim. Von allen drei ist nicht eine plötzliche Verwandlung in Torjäger zu erwarten.
Anders sieht es bei Patrick Mainka aus. Dieser hat in jedem der drei Spiele gute Chancen gehabt und scheint tatsächlich generell torgefährlich zu sein. Gleiches gilt natürlich für Jeremie Frimpong und mit Abstrichen für Philipp Lienhart.
Die restlichen Abwehrspieler sind in Bereichen, wo es schwer zu sagen ist, wie hoch ihre tatsächliche Torgefahr ist. Die gelisteten Spieler sind zumindest für ein paar Tore in der restlichen Saison gut. Insbesondere von Jonathan Tah, Ko Itakura und Robin Gosens sollte man nicht zu viel erwarten, da sie stark überperformt haben.
Die Anzahl der Abwehrspieler, die durch gute Noten glänzen, Scorerpunkte versprechen oder beides ist lang. Zu erwähnen im Bereich unter 3,0 Mio sind vor allem Henrichs, Simakan, Kabak, Paqarada, Kossounou, Pacho, Carstensen und Stenzel.
Fazit
Klare Kaufs- und Verkaufsempfehlungen gibt es kaum, da die geringe Datenlage keine Schlüsse ohne viel Unsicherheit zulässt. Am ehesten taugen die Daten, um extreme Über-/Unterperformance im Blick zu haben.
Im Sturm haben Boniface, Guirassy und Wind zwar überperformt, aber auch gute grundlegende Werte. Die schlechten Leistungen von Haller sind nicht einer Unterperformance geschuldet.
Im Mittelfeld ist Vorsicht bei Überperformern wie Silas, Xavi, Führich, Palacios, Beste und Kampl angesagt. Sabitzer und Dina Ebimbe haben Luft nach oben.
In der Abwehr sollte man nicht zu sehr auf Tore achten, insbesondere bei Überperformern wie Kabak, Tah, Itakura und Gosens.